Ausschreibungspflichten bei Wärmenetzen? (Teil 1: Überblick)

Beitrag vom 15.09.2025:
Die Errichtung von Wärmenetzen setzt einen längeren Planungsprozess voraus, der vor allem technische Fragen betrifft. In den Hintergrund gerät dabei mitunter die wichtige Frage, ob die Errichtung eines Wärmenetzes eigentlich eine wettbewerbliche Auswahl des Wärmenetz-Betreibers erfordert oder ob ein Wärmenetzbetrieb direkt vergeben werden darf. Hierzu soll der nachfolgende Beitrag einen ersten Überblick geben, der in nachfolgenden Beiträgen vertieft wird. Dabei soll es zunächst um die erstmalige Errichtung eines Wärmenetzes gehen.
Ausgangslage aus Sicht der Kommune
Für die Kommune kann sich die Frage nach der Errichtung eines Wärmenetzes in ihrem Gebiet aus ganz unterschiedlichen Gründen stellen. So kann beispielsweise von Seiten der Bürgerschaft oder eines Unternehmens die Initiative kommen, eine – vorhandene oder neu zu errichtende – Wärmequelle (z.B. Biomasseheizkraftwerk) zu nutzen und die Wärme über ein Wärmenetz zu den Verbrauchern zu leiten. Ebenso kann die Versorgung eines Gebietes über ein Wärmenetz Ergebnis der kommunalen Wärmeplanung oder einer anderen Fachplanung sein, und die Kommune beschließen, ein solches in ihrem Gebiet zu errichten. Initiatoren für ein Wärmenetz können auch die örtlichen Stadtwerke oder regionale Energieversorger sein.
In all diesen Konstellationen stellt sich für die Kommune die Frage, ob es eines wettbewerblichen Auswahlverfahrens bedarf, oder ob der Betrieb des Wärmenetzes direkt einem Anbieter überlassen werden kann.
Wichtige Begriffe
Vorab sollten für die hier interessierende Fragestellung allerdings ein paar Begriffe erläutert werden, die zum Teil unterschiedlich verwendet werden.
- Wärmenetz
Ein Wärmenetz lässt sich allgemein verstehen als eine Einrichtung zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wärme, die kein Gebäudenetz ist (vgl. z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 17 Wärmeplanungsgesetz – WPG).
- Nah- oder Fernwärmenetz
In der Praxis wird häufig von Nah- oder Fernwärmenetzen gesprochen. Wo das eine aufhört und das andere anfängt, lässt sich mitunter nur schwer sagen. Aus juristischer Sicht hat die Differenzierung für die vorliegenden Fragen einer etwaigen Ausschreibungspflicht grundsätzlich keine Bedeutung. Ausreichend und klar ist es daher, schlicht von „Wärmenetz“ zu sprechen.
- Wegerecht
Wegerecht beschreibt das Recht, den Weg bzw. die Straße und den entsprechenden Untergrund für das Verlegen und den Betrieb des Wärmenetzes zu nutzen.
- Gestattungsvertrag
Mit dem Gestattungsvertrag wird das Wegerecht seitens der Gemeinde gegenüber dem Wärmenetz-Unternehmen vertraglich geregelt. Meist werden weitere Aspekte vereinbart, insbesondere Fragen des Entgelts für die Gestattung.
- Konzession
Auch der Begriff Konzession wird unterschiedlich gebraucht. Im vorliegenden Kontext ist unter einer Konzession ein entgeltlicher Vertrag zu verstehen, mit dem ein Unternehmen – vorliegend von der Gemeinde – mit einer Bauleistung oder der Verwaltung von Dienstleistungen betraut wird und im Gegenzug das Recht zur Nutzung bzw. zur Verwertung erhält (vgl. § 105 Abs. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB). Wichtig ist, dass eine Konzession in diesem Sinne nur vorliegt, wenn das Vergaberecht anzuwenden ist. Die in der Praxis übliche Bezeichnung des Wegerechts als „Konzession“ ist daher ungenau.
Ausschreibungspflichten auf verschiedenen Ebenen
Für die Kommune stellt sich die Frage nach einer Ausschreibung im Kontext des Wärmenetzes auf verschiedenen Ebenen – zum einen bezüglich Planung und Bau des Wärmenetzes, zum anderen bezüglich des Wegerechts.
Planung und Bau des Wärmenetzes
Ohne Planung und Bau entsteht kein Wärmenetz. Ob für diese Dienstleistungen jedoch eine Ausschreibung erfolgen muss, richtet sich nach dem Vergaberecht. Dieses gilt grundsätzlich nur für staatliche und kommunale Auftraggeber. Werden Planung und Bau durch die Kommune – oder einen kommunalen Rechtsträger (z.B. Stadtwerke) – beauftragt, ist das Vergaberecht in der Regel anzuwenden. Planung und Bau sind daher meist auszuschreiben.
Erfolgen Planung und Bau des Wärmenetzes durch ein privates Unternehmen, so unterliegt dieses in der Regel nicht dem Vergaberecht. Einer Ausschreibung bedarf es meist nicht.
Achtung: Die Einhaltung des Vergaberechts kann ausnahmsweise auch für private Unternehmen vorgeschrieben sein, wenn diese staatliche Fördermittel erhalten oder als sog. Sektorenauftraggeber speziellen vergaberechtlichen Bestimmungen unterliegen.
Wegerecht für das Wärmenetz
Allerdings kann auch das Wegerecht unter Umständen einer Ausschreibungspflicht unterliegen!
Anders als etwa bei Planungs- oder Bauaufträgen für die Kommune erschließt sich dies nicht sofort. Wird ein Wegerecht an ein Unternehmen erteilt, so beschafft sich die Kommune auf den ersten Blick keine Leistung und zahlt dafür in der Regel auch kein Geld. Warum also ausschreiben?
Hintergrund ist primär das sog. Kartellrecht. Danach dürfen Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung haben, ihre Macht nicht missbrauchen (§ 19 GWB). Missbrauch liegt zum Beispiel vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen sich weigert, andere gegen angemessene Bezahlung zu beliefern oder ihnen Zugang zu wichtigen Daten, Netzen oder Einrichtungen zu geben, obwohl dies notwendig für den Wettbewerb ist. Daraus folgt: Solche Unternehmen müssen in bestimmten Fällen Zugang ermöglichen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen knappe Leistungen oder Plätze vergibt, muss es grundsätzlich ein transparentes Auswahlverfahren (Ausschreibung) durchführen. Eine direkte Vergabe an nur ein Unternehmen ist prinzipiell unzulässig.
Dieser kartellrechtliche Grundsatz gilt prinzipiell auch für Kommunen. Ein Beispiel sind die sog. KFZ-Schilderpräger-Fälle: Kommunen müssen grundsätzlich mehrere Anbieter fair auswählen, wenn nur begrenzte Plätze für private Schilderpräger in der Zulassungsstelle verfügbar sind.
Dieses Prinzip gilt auch für die Vergabe von Wegenutzungsrechten bei Strom- und Gasnetzen. Insofern stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch Wegerechte für Wärmenetze einer Pflicht zur Ausschreibung unterliegen. Die Frage ist hoch umstritten. Eine aktuelle Entscheidung des BGH zum Stuttgarter Fernwärmenetz (BGH, Urt. v. 05.12.2023 – KZR 101/20) hat insofern nur bedingt für Klarheit gesorgt.
Was Kommunen zu beachten haben und wie mit dieser Rechtsunsicherheit umgegangen werden kann, erfahren Sie in unserem nächsten Blog-Beitrag!
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